Familiengeschichten: Spurensuche auf dem Eilendorfer Knopp

Die Familie. Robert Klur is damals der Zweitälteste, zwei Kinder werden noch kommen. Der Vater von Sigrun Gabbert steht neben seiner Mutter

Familiengeschichten aufzuarbeiten ist nicht nur für die Angehörigen von großer Bedeutung, auch nachfolgende Generationen können anhand persönlicher Schicksale einen differenzierten Blick auf die Geschichte erhalten.

So ist auch die persönliche Geschichte von Sigrun Gabbert aus Irmgarteichen bei Siegen ganz eng mit der Eilendorfer Geschichte zum Ende des Zweiten Weltkrieges verwoben. Ihr Onkel Robert Klur, Bruder ihres Vater Clemens Klur, fiel im Herbst 1944 auf dem Knopp zwischen Verlautenheide und Stolberg im Kampf mit den amerikanischen Truppen um die Westgrenze. Von Mitte September bis Mitte November „lagen die deutschen Truppen auf der bewaldeten Anhöhe“, so Leonard Herpers für den Freiwilligen Ausschuss für den Kriegsgräberdienst Eilendorf. „Nach Abzug der deutschen und Vormarsch der Alliierten stellten wir fest, dass zahlreiche deutsche Soldaten von ihren Kameraden begraben, aber auch noch viele Tote im Wald lagen.“ Am Bunker auf dem Knopp war auch Robert Klur stationiert. Die Schützengräben in dem Waldstück direkt hinter den Feldern sind noch heute zu erkennen und Helmuth Kind, Vorsitzender des Heimatvereins, erinnert sich noch an die Gräben, die die Soldaten unter die Baumwurzeln gegraben haben und in denen sie sich als Kinder versteckt haben. Aus Sicherheitsgründen sind diese aber zugeschüttet worden. Um den 15./16. Oktober 1944 wurde Robert Klur beim Angriff der Alliierten an dieser Stelle getroffen und ist wahrscheinlich verblutet.

Die Männer des Kriegsgräberdienstes Eilendorf nahmen sich der Toten an und legten unter Lebensgefahr, das Gelände war stark vermient, inmitten des Kampfgebietes eine Ehrenstätte für die gefallenen Kameraden an, „umgeben von den Einmannlöchern über dem Tunnel der Bahnstrecke Aachen-Köln“, berichtet Leonard Herpers. Soweit vorhanden wurden Erkennungsmarken, Wertsachen und Schriftstücke zur Identifizierung und Namensfeststellung gesammelt und wenn möglich an die Angehörigen weitergeleitet. Auf dem Grab Robert Klurs wurde sein Soldbuch und sein Stahlhelm gefunden. Diese Nachricht aus Eilendorf erhielt die Familie am 6. August 1945. Die 90jährige Schwester von Robert, Ordensschwester Sr.M. Apolline im Vinzentienerorden, erinnert sich, dass man bei ihm wohl auch ein Bild und eine Adresse gefunden hat. In seinem Geburtsort Irmarteichen wurde für die Familie gesammelt, damit diese ihn zurückholen und in ihrem Dorf beisetzen konnten. Die Firma Beckers aus Netphen bei Siegen holte Anfang 1946 neben Robert Klur noch einen weiteren Soldaten nach Hause. „Er wurde in einem abgeschlossen Raum im Hause der Familie aufgebahrt, bis man ihn beisetzen konnte. Nach einer Liegezeit von mehr als einem Jahr musste der Leichnam noch identifiziert werden. Das wurde meinem Opa nicht zugemutet, obwohl er es gerne wollte. Dies hat dann ein Cousin für Ihn übernommen“, so erinnert sich die 90jährige Tante von Sigrun Gabbert an die damaligen Geschehnisse. Am 1. Februar 1946 wurde er in Irmgarteichen beigesetzt. Ein sehr bewegender Rückblick, schließlich kam acht Tage nach der Todesnachricht von dem erstgeborenen Sohn August Klur der Einzugsbefehl für den gerade 18jährigen Robert. „Ein junger Mann, der nicht viel von der Welt kannte und nach der Arbeit auch noch auf dem Feld und im Wald arbeiten musste.“

Sigrun Gabbert mit Mann Ralf und Helmuth Kind an der Stelle, an der ehemals der Bunker stand

Mit dem Wissen um dieses ganz persönliche Schicksal geht man als Spaziergänger mit ganz anderen Augen durch das kleine Waldgebiet auf dem Knopp. Seit damals hat sich dort nicht viel verändert, weiß Helmuth Kind. Doch der Ehrenfriedhof oberhalb des Tunnels musste mit der Sprengung des Tunnels weichen. Die Ehrengräber wurden auf den Friedhof Nirm verlegt. So betrachtete auch Sigrun Gabbert gemeinsam mit ihrem Mann Ralf und dem Vorsitzenden des Heimatvereins Helmuth Kind die Stelle, an der ihr Onkel vor mehr als 70 Jahren sein Leben im Krieg verlor. Ein Gebet und innehalten zum Gedenken an die Toten ist nicht nur für Familienangehörige wichtig. Auch gerade für die jüngeren Generationen kann das Innehalten und Erinnern anhand von persönlichen Geschichten helfen, die Vergangenheit mit all ihren oft dramatischen Ereignissen zu verstehen.